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Es war wieder soweit: Der Besuch einer großen Fachmesse für Konsumentenelektronik.
Viele Jahre schon pilgere ich- und mit mir viele Kollegen und Ex-Kollegen zu diesem Tempel der Elektronikbranche. Und wie jedes Jahr treffen sich die Branchengrößen und jene, die es gerne werden wollen, um der Welt zu zeigen, was sie im Stande sind zu tun und inwiefern sie dabei besser sind als ihre Konkurrenz.

Ein Produkt steht dabei seit nun vielen Jahren im Vordergrund und bestimmt nicht nur das, was auf dieser Messe so angesagt ist: der Fernseher.
Für uns Designer gibt es bei Fernsehern, obwohl es sich doch eigentlich nur um eine Mattscheibe handelt, immer wieder etwas zu verbessern. Früher, als die noch recht korpulente Bildröhre das Produkt bestimmte, drehte sich bei der Designarbeit alles darum, das Produkt charaktervoll, technisch oder qualitativ wirken zu lassen, bloß nicht wie ein Stück Plastik. Mit der Ankunft der Flachbildschirme jedoch reduzierte sich die formale Arbeit und Aussage immer mehr auf das Nichts – ‚flat, slim, light, translucent‘ sind die, natürlich englischen, Bezeichnungen für die Designsprache der Fernseher von heute, mit denen man immer weniger nur ‚fern sieht‘, sondern sich ‚entertaint‘, vernetzt und ‚apps downloaded‘! Das Produkt löst sich immer mehr auf und reduziert sich auf das Bild, worum sich ja eigentlich alles dreht… so, oder so ähnlich auch die Aussage einiger Fernseh-Designer, die ich traf.

Und da traf ich auch sie, ganz zufällig und unerwartet, wo sie doch sonst überall sorgfältig versteckt oder weggelassen wurde – die Fernbedienung!

Inzwischen ist die Fernbedienung ein ganz seltener Gast auf dem Messestand geworden: Scheinbar kaum ein Hersteller kümmert sich darum, dem Teil des Fernsehers, um den sich letztendlich wirklich alles dreht, einen prominenten Platz auf der Messe einzuräumen. Gerade jetzt, wo die flachen, randlosen Scheiben gar keinen Platz mehr bieten, um darauf noch Schalter anbringen zu können, geht doch ohne Fernbedienung gar nichts mehr! Und jetzt, wo man nicht nur die Kanäle rauf und runter zappt, sondern mit der weiten Welt des Internets verbunden ist, braucht man umso mehr diese Handschmeichler, mit denen man so schön herumspielen kann, wenn’s spannend oder langweilig wird. Warum sind nirgendwo Fernbedienungen zu sehen?

Vielleicht liegt es ja daran, dass Messebesucher sie entwenden oder selber anfangen, die Fernseher zu bedienen oder zu verstellen, sodass die Hersteller sie von vornherein weglassen? Vielleicht aber schämen sie sich einfach dafür, dass ihnen nach dem ‚Minimalisieren‘ der Bildschirme, bei der Entwicklung der essenziellen Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, das Geld ausgegangen ist, sodass man nur noch einfachstes Plastik und billigste Materialien dafür verwenden konnte. Oder ist es sogar so, dass man sie gleich beim billigen Jakob in Fernost einkauft und kurz vorm Zukleben der Verpackung noch schnell dem Fernseher hinzugibt?

Vielleicht wollen auch einige Hersteller nur davon ablenken, dass sie zwar flache Fernseher entwickeln können, aber nicht die dazu passende, einfache und benutzerfreundliche intuitive Bedienung? Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Schöne Fernbedienungen, die einfach zu bedienen und qualitativ gebaut waren, sah ich tatsächlich kaum, vielmehr kamen auf Anfrage graue, hässliche, mit Knöpfen übersäte Plastikknochen zum Vorschein. Da war ich froh, dass einige Hersteller offensichtlich ein Einsehen hatten und gleich die passende App zur Bedienung ihrer flachen Flunder im Angebot hatten, zum Gratisdownload. Auch ich habe da doch lieber mein i-Produkt auf dem Couchtisch liegen, als eine Wurst aus Plastik… Aber mutiert der Fernseher dabei etwa zu einem Zubehör für die neuen Smartphones der Generation Digital? – Was machen dann die vielen hauptberuflichen Fernsehgucker ohne i-Produkt, wie meine Tante Gerda?

Also, ihr lieben Fernsehhersteller! Wenn schon kaum noch Material am Bildschirm verbaut wird, bitte nutzt das Budget und macht vernünftige Fernbedienungen – nicht nur meine Tante wird’s euch danken!

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