fähigkeit

Was war der Gegenstand Ihrer Diplom- oder Bachelorarbeit? Vermutlich haben Sie sich sehr damit beschäftigt und viele Stunden damit verbracht, diese zu einem guten Ende zu bringen. Später, nach dem Berufseintritt, verblasste die Erinnerung an die harte Arbeit. Im Job können die Wenigsten direkt mit dieser geleisteten Arbeit etwas anfangen: Es war ein Meilenstein, eine Bestätigung, dass man fähig ist, eine Rolle in der Wirtschaft oder Gesellschaft zu übernehmen.

Manchmal spricht man beim Einstellungsgespräch über die Leistungsnachweise aus dem Studium, aber im Kern geht es um Ihre Kompetenz, Ihre Fähigkeiten. Nicht das, was Sie gemacht haben, zählt, sondern das, was Sie können. Sie sollen ja nicht einfach Ihr ‚Ding‘ machen in der Unternehmung, sondern Ihr Können einbringen, damit das Unternehmen oder die Organisation optimal funktioniert. Im Vordergrund steht Ihr Können, nicht Ihr Werk.

Das sieht bei den Künstlern dieser Welt ganz anders aus. Diese sind dann ‚wertvoll‘, wenn ihr Werk überzeugt. Den Wert, den sie (ein)bringen, wird von dem bestimmt, was sie erschaffen haben, nicht von dem, zu dem sie fähig sind. Wo manche Künstler vom Nimbus ihrer Werke leben können, werden viele normale ‚Studierte‘ recht bald mit den Konsequenzen ihres ‚Könnens‘ konfrontiert, wenn sie nichts mehr können: Es folgt die Kündigung, oder man wird nicht mehr beauftragt.

Designer stehen hier in einem Zwiespalt, denn auch sie verkaufen sich über ihr ‚Werk‘, müssen aber gleichzeitig etwas Konkretes können. Designer sind Spezialisten in der spezifischen Artikulierung von Unternehmensergebnissen, sodass diese Ergebnisse eine vorab bestimmte Wirkung entfalten können. Dafür benötigt man Fähigkeiten, die man nicht einfach so aus der Luft greift. Designer sind keine Künstler, sondern studierte Spezialisten. So zumindest sollte es sein.

Trotzdem geht man an den Design-Hochschulen zur ‚Werkschau‘ und betrachtet die Werke der Absolventen. Trotzdem bewerben Designschaffende sich mit ihren ‚Portfolios‘. Trotzdem gibt es ‚Awards‘ für Designwerke. Trotzdem gibt es ‚Design-Weeks‘, in denen man durch die Ateliers von Designschaffenden mäandert. Trotzdem gibt es Monografien von Designschaffenden, in denen ihre Designwerke präsentiert werden. 
Dies ist alles sicherlich wichtig und bereichernd, aber es festigt das Bild, dass Designleistungen über ‚das Werk‘ entstehen und nicht über eine ‚Fähigkeit‘.

Wenn Unternehmen sich der Fähigkeit von Designschaffenden bedienen wollen, dann schauen sie auf die Werke der Branche und kaufen entsprechend ein: als Gegenstand oder Objekt. Sie kaufen eine fertige Lösung. Oft ist dies genau, was sie (zu) benötigen (glauben). Jedoch sind viele Aspekte des Designs in Unternehmen über ein ‚Werk‘ nicht zu lösen: Man benötigt die Fähigkeit des Designers, mitzudenken, mitzuarbeiten, mitzuentwickeln. Wenn es darum geht, das Unternehmen klar zu differenzieren und die Angebote möglichst relevant für die Kunden auszugestalten, reicht es nicht, ein Werk zu erwerben: Dann benötigt man die Fähigkeiten der Designschaffenden im Unternehmen selbst und das Unternehmen muss dazu fähig sein, diese Fähigkeit effektiv zu nutzen.

Und hier zeigt sich der Zwiespalt der Designbranche: Auf der einen Seite möchte man die Wirkung von gutem Design über Werke kommunizieren, was nachvollziehbar ist. Auf der anderen Seite bemängelt man, dass die Designschaffenden nicht ‚ankommen‘ in der Wirtschaft, oft nachgelagert und vereinzelt eingesetzt sowie weit unter Wert bezahlt werden (siehe Studie Kobuss). Letzteres kommt allerdings wegen des Ersten. Designausbildungen richten sich mehrheitlich auf die Entwicklung von Fertigkeiten, die sich in Werken abbilden. Entsprechend verkaufen die Designschaffenden ihr Werk und nicht ihre Fähigkeit. Und dies führt unweigerlich dazu, dass viele Unternehmen selbst auch keine Fähigkeit besitzen, Design optimal einzusetzen. Unternehmen bewerten die Leistung des Designs vorrangig am Wert des Werkes und nicht an der Fähigkeit, die dahintersteckt.

Wenn die Designbranche und die tätigen Designschaffenden das Design als eine nötige und wichtige Sache verstanden wissen wollen, dann sollten sie ihre Fähigkeit verkaufen, nicht ihr Werk. Damit das gelingt, müssen sie argumentieren können, was ihre Fähigkeit beiträgt und nützt und was letztendlich der Kunde davon hat. Sie müssen auch beraten können!

Denn Fertigkeiten besitzen viele, irgendwie. Meine Oma behauptete auch, dass sie so gut malen konnte wie de Kooning … Und Werke sind nun mal das wert, was andere dafür ausgeben wollen oder diese wertschätzen. Sie sind aber auch manifestierte Fakten aus der Vergangenheit, und nur wenige zeigen ein Potential für die Zukunft.
Designer, finde ich, sollten nicht beauftragt werden, ein Werk zu erzeugen. Sie sollten beauftragt werden, mit ihrer Expertise und Fähigkeit den Unternehmen und Organisationen besser zu machen. Später dann könnte ein Werk draus werden, wenn die Kunden dafür gerne bezahlen und begeistert sind.
In dieser Reihenfolge, bitte.

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