captain kirk

Bei diesem Entwurf teilte sich die Jury des Designpreises in zwei Lager: Die Einen fanden es einen gelungenen Versuch, den Anforderungen der ‚Generation Digital‘ und deren Lifestyle gerecht zu werden, die anderen verzogen ratlos und teils auch angewidert ihre Gesichter, bei so viel Hightech, Glanz, Display und ‚Digital‘.
Wie auch immer die Meinungen lauteten, alle einigten sich allerdings darauf, dass hier gestalterisch geklotzt wurde und nicht gekleckert…! Und somit kam der Entwurf eines Auto-Interieurs eine Runde weiter.

Für mich sah dieser Entwurf aus wie eine Kommandozentrale aus ‚Raumschiff Galaktika‘, und zwar aus einer dieser neueren Verfilmungen, wo alle Attrappen gänzlich ‚digital‘ in die Szenen hinein kopiert werden. Statt mit umgebauten Anspitzern neuartige Warp-Geschwindigkeitsregler zu basteln, kann der Set-Designer von heute alles genauso umsetzen, wie es seiner Fantasie entspringt – es gibt keine Grenzen mehr, außer sie betreffen die Fähigkeiten, am PC die richtigen Renderparameter zu wählen. Form follows PC.

Nicht erst seit dieser Jurysitzung bleiben die intergalaktischen Entwürfe von Auto-Interieurs in meinem Bewusstsein hängen, vor allem regelmäßig dann, wenn sie in Presseberichten auftauchen. Vor ein paar Tagen berichtete eine Internet-Zeitung anlässlich der Las Vegas Electronic Show – einen besseren Ort als Las Vegas kann man sich zur Präsentation von schillernder und blinkender Spielerei in der Tat kaum vorstellen: Der Artikel widmete sich ausgiebig diesem Phänomen einer gestalterischen Ejakulation, das sich über Sitze, Lenker, Bedien-Elemente, Tachoanzeiger und Türverkleidungen hinwegzog und den Autofahrer der nahen Zukunft zum ‚Captain Kirk‘ der Autobahn werden lässt. Kombiniert wurde die Gestaltung der interaktiven Lenksäule mit multi-modalen Ein- und Ausgabemöglichkeiten, wie Touchscreens und Spracherkennung: „Zulu, bitte Warpspeed!“

Ist das denn alles ernst gemeint? Glauben die Macher dieser automobilen Zukunftszenarien denn tatsächlich, dass sich das Lenken eines Autos in naher Zukunft wie das Lenken eines Raumgleiters anfühlen muss? Wird es so sein, dass die zukünftige Generation der Autofahrer sowohl ihren Wagen lenken, als gleichzeitig Apps downloaden, Filme anschauen, skypen, twittern und sonstiges wie Social-Networks will? Und wenn das alles gleichzeitig gehen soll, wer achtet dann auf den Verkehr von rechts? Ach so, ja, das machen die computergesteuerten Sicherheitssysteme, oder? Aber warum gibt es dann noch einen Lenker für den Fahrer? Könnte man ihm diesen nicht gleich vorenthalten, denn letztendlich wird er beim Bedienen dieser vielen Gadgets keine Zeit haben, auch noch diesen Lenker beidhändig zu halten. Vielleicht geht ja da ein Joystick – dann erübrigt sich dieses Objekt, das sich beim Aufprall so blöd in die Rippen bohrt, auch wenn dies, dank Computer, kaum noch geschehen wird.

Ein zweiter Artikel auf der Seite, gleich im Anschluss, verstärkte dann mein Vermuten, dass es beim intergalaktischen Aufrüsten der Auto-Interieurs nicht nur darum geht, die Zukunft der automobilen Interaktion zu gestalten, sondern vor allem darum, wilde Fantasien aus zu leben. Und wo Fantasien wild sind, sind sie meist männlicher Herkunft. Da fällt es nicht schwer, sich die Testosteron-geladenen Designbüros aus zu malen, wo die Jungs sich gegenseitig – wie damals in der Schulpause beim Autoquartett – übertrumpfen wollen, indem sie mit dynamischen (jetzt digitalen) Pinselstrichen die tollsten Interieurs aus dem Ärmel zaubern. Womöglich sticht dabei nicht nur die Klasse der Entwürfe, sondern auch die Masse: Je mehr Flächen, Strukturen, Oberflächen, Reflexionen, Blendeflecken und Effekte, desto größer das automobile Designerglück. Ob diese Entwürfe, die letztendlich die Interaktion eines Menschen mit einem höchst komplexen (und Gefahr-immanenten) physikalischen Ablauf ermöglichen sollen, auch nutzerorientiert und selbsterklärend gestaltet sind, scheint hier eher belanglos. Hier steht das Stylen im Vordergrund. Die Form folgt der Emotion, nicht der Ratio und der Funktion.

Da frage ich mich, wie ein Auto-Design von der Marke mit dem Apfel wohl aussehen würde. Würde dieser Entwurf im Quartett wohl stechen?

Ach ja, im anschließenden Artikel ging es auch um ein ‚Ausstechen‘: Wer der bessere Autofahrer sei – Mann oder Frau. Ich brauche Ihnen das Resultat nicht zu erklären, Sie wissen es schon, oder?
Zum Glück ist zur Ehrenrettung die Gestaltung der Auto-Interieurs als auch der Exterieurs noch fest in männlicher Hand: Indem die Jungs die Autos so gestalten, dass sie ausschließlich von ‚Kaptain Kirks‘ gelenkt werden können, gelingt es vielleicht doch irgendwann, dieses Defizit wieder glatt zu bügeln.
Denn mal ehrlich, Autofahren ist doch Männersache!

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