wut-designer

Es war eine Designveranstaltung wie viele andere auch. Anschließend war ‚Bühne frei‘ für die Befragung: Die Zuhörer hatten jetzt die Gelegenheit, den Referenten auf den Zahn zu fühlen, wovon einige sofort emsig Gebrauch machten. Und es war nur eine Frage von Minuten, bis sie kommen würde, nämlich die Frage nach dem Stellenwert des Designs im Unternehmen!

Gestellt wurde sie dann von einem klassischen Vertreter der Gattung ‚Designer‘, ganz so wie man sich diesen oft vorstellt: Gänzlich in Schwarz gekleidet, die knallrote Lesebrille um den Hals gehängt und das wallende Haar weißlich grau, meldete er sich nachdrücklich zu Wort, in dem er einwarf: Jetzt solle mal Schluss sein mit dem Geschwafel, denn das Problem läge doch ganz wo anders, nämlich in der Rolle des Designs in dem Unternehmen! Weil man dort überhaupt keinen Plan hat, wie und wo man gutes Design einsetzt, bräuchte man sich ja nicht zu wundern, dass am Ende nur Schwachsinn produziert würde! – „Die schmieren sich doch Design über die Produkte, wie unsereins die Marmelade aufs Brot!“

In Fahrt gekommen, stellte er seine eigentliche Frage an die Vertreter der Industrie (deren es im Panel drei gab): „Wann ist es denn endlich so weit, bis ein Designer im Vorstand der Konzerne sitzt?! „Da herrscht doch die totale Leere, die denken doch nur an die Gewinne- an gutes Design denkt da doch keiner!“, schloss er ab, unter lautstarker Zustimmung der anwesenden Leidensgenossen, die doch sicher gut ein Drittel des Publikums ausmachten.

Da war es wieder, dieses ‚Unrecht‘: Design als Brotbelag, statt als Grundnahrungsmittel; Designer am Fließband, statt im Vorstand; Design als ‚gut‘, die (Groß-)Unternehmen als ‚böse‘.

Etwas ratlos schauten wir drei Vertreter aus den Konzernen uns an, in der Hoffnung, einer würde sich aufopfern und diese Frage aus dem ‚Design-wird-nicht-ernst-genommen-Lager‘ zu beantworten. Da glaubte ich, ein heimliches Grinsen bei meinem Panel-Kollegen von frog-design zu erhaschen, der sich etwas zurücklehnte, um die Dinge, die jetzt kommen würden, genüsslich zu beobachten. Als Vertreter einer Agentur wusste er genau, worin das Problem lag, aber auch, dass er in dieser Frage sich besser nicht zu Worte meldet. Nein, diese Frage galt den Designern, die in Unternehmen arbeiten und dort ihr Dasein wie ‚Sklaven unter widrigsten Bedingungen frönen‘, weitab vom Zentrum der Macht, dem Vorstand. Er war ja schön öfter dort gewesen, im Vorstand – wenn auch als externer Berater- und er wusste genau, dass dort nicht alles Gold ist, was glänzt. Auch deswegen amüsierte er sich immer, wenn die Frage nach dem Stellenwert des Designs in solchen Foren hochkam. Für seine Agentur war die Frage überflüssig, denn deren Arbeit profitiert doch irgendwie auch von der Tatsache, dass viele Vorstände keine Ahnung haben – da lässt sich ein Geschäft draus machen!

„Was für Waschlappen sind das doch“, sagte er mir nach der Veranstaltung bei einem Bier, „statt sich auf Veranstaltungen zu beklagen, sollen die doch lieber mal in einem Konzern anfangen und denen zeigen, wo der Hammer hängt!“ Wir beide teilten die Beobachtung, dass es scheinbar ein Empfinden gibt, den Stellenwert des Designs im Unternehmen daran zu koppeln, wie das Design als ‚Machtposition‘ darin vertreten ist. Aber auch, dass es viele ‚Designer‘ gibt, die sich von Außen beschweren, aber dann wenig tun, Design in die Unternehmen hineinzutragen. Ein Designdenken im Unternehmen zu schüren, in dem man weit vor dessen Fabriktoren protestiert, ist gut gemeint, bewirkt aber einfach nichts. Da muss man schon innerhalb der Tore missionieren, beschlossen wir unseren Exkurs…

Die Frage des ‚Wut-Designers‘ war noch nicht aufgegriffen, so fühlte ich mich verpflichtet, einzugreifen. Ich berichtete über die Fortschritte, die mein Unternehmen über die letzten fünfzehn Jahre gemacht hatte, Design als Unternehmensfunktion zu integrieren und dass Design jetzt als solche anerkannt sei. Auch dass man den Posten des Chief Design Officers eingeführt hat, um die Verantwortung bezüglich der Qualität der Designfunktion klar zuweisen zu können – auch dies als Zeichen, dass man die Sache ernst nimmt. Genauso wie beim Qualitätsmanagement, der Logistik, dem Servicemanagement oder der Nachhaltigkeit: All deren Vertreter säßen auch nicht im Vorstand, wären aber alle wichtig und anerkannt in ihrer Funktion.

Also verneinte ich die Forderung, dass Design in den Vorstand gehöre, was zu einem verwunderten Raunen unter den Leidensgenossen führte.
Design, das ist das Resultat eines unternehmerischen Handelns, das, was am Ende herauskommt! Wenn das Design nachhaltig zum Erfolg eines Unternehmens beitragen möchte, dann braucht es keinen Design-Vorstand, sondern ein konzernweites Designdenken.

Design gehört eben nicht in den Vorstand eines Unternehmens, sondern in dessen Verstand!

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