profi

Wann entscheidet ein Musiker, ob er oder sie lieber musiziert oder komponiert? Ist es eine Entscheidung des Kopfes oder des Bauches, oder bestimmt die Genetik, welchen Weg der Musiker einschlägt? Fakt ist, dass, bis auf wenige Ausnahmen, sie entweder den einen oder den anderen Weg einschlagen. Fakt ist auch, dass die meisten sich als Musiker verdingen.

Anschaulich konnte ich dies bei einem Bekannten von mir feststellen: Er ist Musiker bei einem renommierten Orchester. Und er ist das durch und durch. Als ich ihn in einer Pause einer Aufführung fragte, ob er das, was sie da gerade aufführten, auch gerne spielt, hielt er nicht zurück: Bruckner, das sei „a schaaas“! Klar, hätte er Präferenzen und liebe die alte Musik, jedoch sei das privat, und da er Profi sei, könne er eh alles spielen. „Gute Musiker können das, nur Amateure haften immer an ihrem eigenen Stil.“ 
Als ich einbrachte, dass doch viele bekannte Musiker gerade wegen ihres Stils bekannt wurden, wie James Last z. B., war seine Antwort lapidar: „Amateurismus schützt nicht vor dem Erfolg!“

Wer sich ganz seinem eigenen ‚Stil‘ hingeben will, komponiert und instrumentalisiert halt selber. Dann ist man ganz bei sich. Wer jedoch als Musiker sich im Orchester verdingt, muss eben ein Profi sein und sein Instrument beherrschen und genau das spielen können, was auf dem Pult steht.
Ebenso gilt dies im Design. Auch dort kann man selbst bestimmen, was ‚gespielt‘ wird, und dies dann artikulieren. Viele Designautoren leben das vor und sind daher ganz bei sich. Und viele sind dabei tatsächlich erfolgreich! Wer jedoch im Unternehmen gestalten will, muss eben ein Profi sein und sein Instrumentarium so beherrschen, dass man „mit dem Unternehmen zusammenspielt“.

Daher stellt sich schon in der Ausbildung die Frage nach dem späteren Werdegang: Komponieren oder Artikulieren? Wer kann beides, wer geht den einen, wer den anderen Weg? Faktisch betrachtet sind jene, die komponieren, extrem rar. Es sind die allseits bekannten Design-Gurus, wie Stark, Rashid, Jongerius etc. Und so mancher Designprofi würde einige von Ihnen tatsächlich als ‚erfolgreiche Amateure‘ bezeichnen… Womöglich muss man vor allem Amateur also Liebhaber sein, um seinen eigenen Stil in allen Belangen umzusetzen. 
Und dann gibt es Unternehmens-‚Komponisten‘, die die Aufführung ihrer Vision bewusst Gestalter-Profis überlassen. Sie wissen genau, dass die Führung des Designs ihre Aufgabe ist und dass sie die Ausgestaltung der Produkte, der Dienste, der Interaktionen, Räume und Kommunikationsmaterialien besser Profis überlassen. Steve Jobs war kein Profigestalter, aber er wusste haargenau, wie er Design führen muss – er war der Komponist der Apple-Partitur. Die wenigen Designer, die er eingestellt hat, haben ihren eigenen Stil ohne zu murren bei der Eingangstüre abgegeben. Klar hatten diese persönliche Präferenzen, jedoch als Profis können sie es so gestalten, dass sie den ‚Ton‘ der Unternehmung treffen. Denn sie wussten genau: Tun sie dies nicht, leidet die Qualität des ‚aufgeführten‘ Kundenerlebnisses unweigerlich, und somit auch der Wert ihrer eigenen Arbeit.

Für die Ausbildung zum Gestalter wünsche ich mir daher mehr Klarheit: Was sind die Grundlagen der Gestaltung (was muss jeder können) und was bringen studierte Profis mit, sodass sie im Unternehmen ‚mitspielen‘ können? 
Dass hierzu vor allem eine gehörige Portion ‚Unternehmenskenntnis‘ gehört, sollte für sich sprechen. Wer ‚mit-Unternehmen‘ möchte, egal ob als Gestalter, Entwickler oder Manager, der muss verstehen, wie das ‚Spielen‘ vonstatten geht. Praxisnähe bedeutet hier nicht disziplinäre Nähe, sondern die Nähe zu anderen in der Organisation: Warum, wie, wo und wann werden Gestalterinnen und Gestalter in den Organisationen gebraucht und wie sie sich derart integrieren, dass sie als Teilnehmer wahrgenommen werden. Eine Fähigkeit, die schon in der Ulmer Schule im Vordergrund stand, wo man Designer als Spezialisten unter Spezialisten ausbilden wollte, damit sie gleichberechtigt am „runden Tisch“ mit Ingenieuren und Managern agieren können. Dass dies keine einfache Aufgabe und Rolle ist, wusste Otl Aicher passend auszudrücken: „es lebt sich nicht leicht.“ […] [ein designer] weiß nie, was dabei herauskommt, wenn er nicht bereits seinem eigenen stil erlegen ist. […] Wer hält das aus?“

Wie mein Bekannter, der Musiker, schon sagte: Profis halten das aus. Sicherlich ist diese Rolle nicht für jeden Gestalter eine gewünschte, aber sie ist bitter nötig: Ohne sie können Unternehmen nicht ‚aufspielen‘ und verlieren so ihr ‚Publikum‘ und die Produkte oder Dienstleistungen ihren wirklichen Zweck, für Kunden einen Gebrauchswert zu liefern.
Ohne Profis in der Gestaltung laufen die Unternehmen die Gefahr, zum Laufsteg der Eitelkeiten selbstverliebter ‚Autoren‘ zu werden. Das mag interessant sein, wenn man einen davon hat. Es wird zur Kakophonie, wenn alle es sind.
Auch hier kann man Aicher zitieren: „handwerker, konstrukteure, ingenieure signieren nicht.“ Designer auch nicht: Sie sind Profis.

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