machen

Es war gut gemeint, leider erzielte die Maßnahme nicht die Wirkung, die man sich gewünscht hatte. Viel Mühe und Aufwand steckte man in die Neu-Entwicklung des Produkts: Am Tatendrang konnte es nicht gelegen haben! Aber die Kunden blieben unbeeindruckt und kauften nicht. Dabei hatte der CEO sich selbst eingebracht und aktiv mitgemacht, ist zu den Händlern gereist und hat an den Design-Workshops teilgenommen, sogar mitgestaltet. Auch die CMO war involviert und immer dabei. Warum nur funktioniert es nicht, wo doch alle so viel gemacht haben?

Sie wissen wahrscheinlich schon, warum: Die Mühe und das Machen allein reichen nicht, man muss auch das Können besitzen, zu wissen, wie man es richtig macht. Erst wenn man etwas wirklich gut kann, entsteht aus einem Handeln etwas von Wert und nachhaltiger Wirkung. Das Handeln selbst entsteht aus einem Impuls, etwas zu tun, jedoch wird die Qualität des Ergebnisses vom Können der Macher bestimmt, nicht vom Impuls allein. Das merken all jene, die mal aus einem Impuls heraus Fliesen verlegt haben, um diese anschließend vom Handwerker wieder herausschlagen zu lassen. Wenn der Impuls das Machen bestimmt, dann kommt selten etwas Gutes dabei heraus. Gut Ding will nicht nur Weile haben, sondern auch einen Macher, der das nötige Können besitzt.

Was in vielen Berufen und Aktivitäten ein Grundgesetz ist, wird wiederum in vielen Bereichen der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik geflissentlich übergangen. Dort ist das „Machertum“ die oberste Prämisse und beherrscht das Handeln. „Machen Sie das ruhig“, heißt es dann höflich, aber oft sind die Ansagen der Chefs und Politiker direkter und fordern auf, genau das zu machen, was zu tun ist. Ob alle das auch können, ist sekundär, Hauptsache, man ist in Aktion und tut das Seine. Prozesse werden so „agil“: Nicht zwingend, weil man so sein Können besser anbringt, sondern oft, weil man so ins Machen kommt! Aktionismus schlägt das bedachtsame Vorgehen. Seit Corona sollte jedem klar sein, was das bedeutet. Ich berichtete mehrfach darüber.

Auch LinkedIn wird von den Machern dominiert, die ihre Aktionen und Meinungen aktiv streuen. Unglaublich, was manche alles so machen, aber können sie das auch wirklich? 30-Jährige mit 100.000 Followern stellen ihre Machenschaften zur Schau und erlangen so Aufmerksamkeit und Einfluss, gelangen in Diskurse und Mandate. Gleiches gilt auch für 60-Jährige. Verstehen Sie mich nicht falsch, es gibt viele Macher, deren Taten auf Können beruhen, aber trotzdem werden sie wegen des Machens beachtet, nicht wegen ihres Könnens. Wer viel kann, aber wenig macht, wird nicht bloß übersehen, dieser wird ignoriert. Die mahnenden Worte von Könnern verstummen im Tumult des Aktionismus, wo man lieber erst schießt und dann fragt. Im Sog der Macher wollen die Follower sich keine Blöße geben und fordern den Aktionismus mit ein, wehe, jemand macht da nicht mit.

Als vor vielen Jahren bei Philips der ausscheidende CEO, der ein großes Können erlangt hatte, von einem Macher abgelöst wurde, freute sich der Aktienmarkt. Jetzt wird gemacht, jetzt wird gehandelt! Über die Zeit verflüchtigte sich der Impuls des Machertums und man erholte sich nicht vom Tatendrang, auch, weil man das Können verlor. Die stillen Könner aus den Laboren hatten keine Macht und keinen Einfluss mehr. Ein Prozess, den ich bei vielen Unternehmen beobachte. CEOs, meist nicht die Gründer, werden auf ihre Macherkompetenzen hin eingestellt. Was sie können, ist machen. Weil sie genau wissen: Wer macht, hat Macht! Politiker sind vom gleichen Schlage, weil sie ein feines Gespür dafür haben, wie man an die Macht gelangt und dann dortbleibt. Das Können ist schon lange kein Kriterium mehr für eine Karriere als Führungskraft, außer wenn es ums Machen geht.

Gut beobachten kann man das am Einsatz des Designs in Unternehmen. Da wird gemacht, dass sich die Balken biegen: Wertvolle Markenbilder, die oft über Jahrzehnte mit Können entwickelt wurden, werden neugemacht, jung gemacht, inklusiv gemacht, elegant gemacht – und so kaputtgemacht. CEOs ohne Können verfallen in einen Aktionismus und beauftragen das Machen bei den Machern der Designbranche. Denn auch dort tummeln sich Cracks, die es krachen lassen und sich vom Mangel ihres Könnens nicht beeinflussen lassen. So werden manche dieser Designmacher herumgereicht wie Heilsbringer, bis man merkt, dass sie eigentlich nicht viel können. Vor allem dann, wenn ein Unternehmen eine Kultur des Könnens aufgebaut hat, wird der Kontrast auffällig: Die Macher machen ihr Ding und die Mitarbeitenden resignieren. Sie vermissen den Sinn in ihrer Arbeit, denn ihr Können, das sie über Jahre aufgebaut haben, wird immer weniger gefragt. Demnächst lässt man die KI machen und dann wird es für viele sinnlos, sich noch weiterzubilden.

Wobei wir bei einem wichtigen Thema angelangt sind: der Bildung. Wenn das Ziel einer Bildung ist, einen Abschluss zu machen oder gewisse Leistungen zu erbringen, dann siegt das Machertum. Nicht das Können steht dann im Vordergrund, sondern die Leistung. Man merkt die Ungeduld bei den Studierenden, wenn man etwas wiederholt, damit man es besser anwenden kann. «Das haben wir schon gemacht!», heißt es dann oft. Sie scharren mit den Hufen, denn sie wollen loslegen und etwas aus ihrem Leben machen, einen spannenden Job ausüben, vielleicht sogar die Welt zu einem besseren Platz für uns alle machen. Wer kann da Kritik äußern und ihnen das verübeln? Wir brauchen Menschen, die Hand anlegen und die Dinge besser machen, keine Frage. Doch wir brachen vor allem die, die das auch wirklich können!

Denn Können ist wie Machen, nur krasser!

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