ich-designer

Wir alle suchen den Superstar- oder auch das Top-Model!

Zu Millionen verfolgen wir, wie Menschen versuchen, sich im Wettbewerb gegenüber anderen durchzusetzen, um letztendlich im Rampenlicht zu (v)erstrahlen – auf dem Weg zu Ruhm und Erfolg! Und dabei ist es völlig egal, was man kann, Hauptsache man zeigt überzeugend das, was die anderen nicht haben! Ist man nicht die Hübscheste, dann eben die Hässlichste, kann man nicht singen wie Pavarotti, dann eben die Katzenfuttermarke am Kot erschnuppern – um ganz oben auf dem Podest zu stehen, kommt es darauf an, einmalig zu sein und Einmaliges zu leisten. Ganz egal, ob das, was dabei herauskommt, irgendwen weiter bringt – außer sich selbst.

Dieses ‚sich mit Ruhm bekleckern‘ kennen wir schon aus der Schulzeit, denn auch da gilt es, oben auf dem Podest zu stehen, einmalige Leistungen zu erbringen und möglichst gute Noten zu erreichen – denn auch die Gesellschaft sucht den Superstar! Selbstverständlich setzt man, angesichts des ‚Super-Wahns‘, in den Schulen nach wie vor auf Benoten und selbstorientiertes Lernen. Im Mittelpunkt dieses Lehrens steht das Individuum, das selbst die ‚Leistung‘ erbringen und als Urheber seiner Kreation die Konsequenzen tragen muss. Und diese sollten selbstverständlich in einer guten Note münden, der Besten! (Und wenn die eigenen Leistungen nicht ganz ausreichen, dann wird eben schnell was von anderen ‚geborgt‘: Hauptsache, man wird nicht erwischt.)

Was ursprünglich als (womöglich gut gemeinte) pädagogische Maßnahme eingeführt wurde und bezwecken sollte, dass die Schüler lernen, selbständig und eigenständig Leistungen zu erbringen, hat letztendlich ganze Generationen zu Ellbogen-Kämpfern (oder zum Schummeln, siehe Guttenberg) erzogen.

Da erinnern Sie sich sicher auch an die lieben Schulgenossen, die besonders eifrig darin waren, diese implizite Handlungsanweisung für strebsames Arbeiten besonders genau auszuführen. Ganze Mäppchen-Burgen türmten sich um deren Arbeitshefte; zusätzlich wurde dazu noch der Arm herumgelegt, sich weit nach vorn gebeugt, um dann, ganz für sich selbst, alles ins Heft zu schreiben – es könnte sich ja einer bereichern! Allerdings galt es damit nicht, sich vor dem unehrenhaften Abschreiben zu schützen, sondern sich in Wahrheit einen Wettbewerbsvorsprung zu ergattern: Denn es geht doch letztendlich um die Belohnung, oder? Und die sackt man natürlich ganz alleine ein!

Dieses Verhalten beobachtet man auch bei vielen Gestaltern und Designern, denn die leben ja förmlich von der unverwechselbaren Eigenständigkeit und einer ‚Urheberschaft‘. Was früher die Mäppchen waren, sind jetzt ausgewachsene Mappen, in denen sich das schützenswerte Unikat vor Kopisten versteckt, um dann im richtigen Moment gewinnbringend präsentiert zu werden, zum Beispiel auf den ‚Catwalks‘ der Designbörsen und einschlägigen Webseiten, oder bei den wenigen ausgeschriebenen Jobs, die es noch gibt. Denn auch die Wirtschaft sucht den ‚Superdesigner‘!

Wohl auch deswegen ist bald jeder Designer ein Freelancer, sodass er sich mit seinen einmaligen ‚Super-Design-Fähigkeiten‘ von Projekt zu Projekt anpreisen darf, um somit in die Gunst der ‚Jury‘ zu gelangen. Es bleibt die Hoffnung, vielleicht von einem ‚Scout‘ oder ‚Headhunter‘ entdeckt zu werden… um zu guter Letzt doch zum ‚Superstar‘ zu avancieren.

Manche Firmen nutzen die geschürte Mentalität bewusst, indem sie Designer (Freelancer!) und Agenturen im Wettbewerb gegeneinander einsetzen, damit der Bessere dann gewinne. Ob das Beste dann auch entsteht, ist fraglich. Besonders problematisch wird es dann, wenn es darum geht, im Unternehmen nicht das beste Design, sondern das beste Produkt zu entwickeln. Gute Designs lassen sich zwar kommunizieren, verkaufen jedoch kann man nur die Produkte. Und Produkte sind Teil von Dienstleistungen, die wiederum von vielen Menschen gemeinsam erbracht werden. Genau hierin liegt die wahre Herausforderung für viele Unternehmen, wo unzählige Posten von Aushilfskräften besetzt sind, die sich untereinander nicht kennen und oft gar nicht kennen sollen, weil jeder ja ein Konkurrent sein könnte. Was dabei herauskommt, ist allen bekannt: Anonymität, kurzfristiges und egoistisches Denken und letztendlich unpersönliche Erlebnisse beim Kunden. Da kauft man nicht gerne ein und daher verwundert es nicht, dass wir selber als Konsument längst verzweifeln und innerlich kündigen, sei es beim Telefonanbieter, bei der Bank, bei jenem Drogeriefachmarkt, bei der Schulbildung unserer Kinder, bei den Politikern…

Kann das so gut gehen? Können wir so den Herausforderungen der Zukunft begegnen, wo es doch gilt für unsere Gesellschaft, bessere Lösungen zu entwickeln? Ist das Modell, in dem jeder für sich und keiner für alle arbeitet, das, welches uns die neuen nötigen Verbesserungen bringen wird? Sie kennen die Antwort längst und womöglich handeln Sie schon danach: Es braucht neue, andere Modelle und Ansätze, den Egoismus zu durchbrechen und die Fähigkeit zu fördern, jene Anreize zu entwickeln, sodass man sich auf gemeinsame Ziele ausrichtet. Und daher tut es gut zu sehen, dass zusehends die Unternehmen nachhaltig erfolgreich sind, die genau hiernach handeln: Sowie der Drogeriefachmarkt dm- oft belächelt, weil er seine Azubis zum gemeinsamen Theaterspielen verdonnert- der es so schafft, mit einer kohärenten, von allen gelebten Unternehmensphilosophie die Gunst seiner Kunden zu gewinnen und damit auch am Markt gewinnt.

Viel tut sich inzwischen auch an den Hochschulen, indem man vermehrt auf Gruppenarbeit, Workshops und sogar auf fachübergreifende Projekte setzt. Ein Weg, den Egoismus zu durchbrechen und somit auch (Design)-Studenten erst auf andere und dann auf sich achten zu lassen, wäre zum Beispiel, Noten nur für den Kurs als Ganzes zu vergeben: Frei nach dem Motto „mit gefangen, mit gehangen“. Sicherlich wäre der Lerneffekt dann ein ganz anderer, wenn sich die Kommilitonen gegenseitig antreiben müssen, gemeinsam besser zu werden, auf dass ein jeder besser wird. Völlig unterentwickelte Kompetenzen würden da gefordert, jene, die man später im Job dann braucht, wenn es gilt, gemeinsam mit anderen die Dinge zum Besseren zu verändern. Denn in Zukunft werden nicht die Superstars unsere Wirtschaft retten, sondern die vielen gut gemachten Angebote, die es sich zum Ziel gesetzt haben, sinnvolle Erlebnisse zu erzeugen- und das geht nur mit Menschen, die hierfür die passenden Fähigkeiten mitbringen.

Dafür braucht es keine Ich-Designer, sondern wir-Designer!

Schreibe einen Kommentar