update bitte!
Es geht wieder los: Kaum rieseln irgendwo die ersten Schneeflocken, schon sind die Auslagen mit entsprechend winterlichen Sachen dekoriert. Die Erde glüht noch nach vom Sommer, aber schon richtet sich jetzt alles auf die nächste Hälfte im Jahresablauf: den Winter! Und je öfter man diese Phasen durchlaufen hat, desto brutaler ist die Festlegung, dass der Jahreszyklus viel zu schnell von statten geht!
Vielleicht ist es dieser Prozess des stetigen Wandels, der uns glauben macht, dass auch die Prozesse, die wir gestalten, schnell zu Ende gehen müssen. So wie man sich kaum mit seiner neuen Sommerjacke angefreundet hat, um sie schon wieder auf dem Dachboden zu ‘überwintern‘, so sind auch viele Entwicklungen in der Industrie quasi mit ihrer Fertigstellung reif fürs Einmotten. Getrieben von einer Dynamik des steten Wandels, scheint nichts davor gefeit, durch das Beenden einer Phase gleichsam obsolet zu werden – nur weil die nächste Phase schon beginnt! Nicht wenigen ging es so mit dem heurigen Sommer, der – kaum er da war – auch schon vom ‘Milestone’ des Herbstbeginns, zu den Akten gelegt wurde.
Ist es tatsächlich so, dass der natürliche Jahresrhythmus einen dominierenden Einfluss auf die menschgemachten Prozesse hat? Einige Wirtschaftszyklen sind ja eindeutig an den natürlichen Kalender gebunden, ohne dass sie das wirklich müssten: Wir geben unsere Steuer jährlich ab; Unternehmen machen ein Jahresbudget, so auch andere Instanzen; Wir schließen Jahresverträge mit vielen Dienstleistern, die wiederum jährlich ihre Bücher schließen (um sie dann wieder zu öffnen!). Manche treiben es so bunt, dass sie sogar auf die Zwischen-Jahreszeiten schielen und ihr eine ’Kollektion’ widmen! Sicherlich ist dies eine schleichende Entwicklung, stammend aus einer Zeit, wo die Produkte des Alltags eindeutig dem Geschehen des natürlichen Werdegangs entstammten: Ein Baum gibt zum Beispiel einmal im Jahr sein Obst.
Jedoch gibt es keinen – für mich plausiblen – Grund, bei abstrakten Zyklen, wie Planungen, Projekten oder auch der Steuererklärung, dem gleich zu tun. Ich glaube, wir sind da in etwas hineingerutscht. Außerdem glaube ich, dass ein Aspekt des natürlichen Wandels fehlinterpretiert wurde: Ein Apfelbaum trägt zwar jedes Jahr seine Äpfel, aber er braucht viele Jahre, bis er soweit ist!
Schlaumeier der Industriekultur sind diese Tatsache geflissentlich übergangen, als sie anfingen, fortan auf die Ernte zu pochen und alle Prozesse nur auf diesen Aspekt auszurichten – war doch die Ernte der Sinn und Zweck ihrer Mühe. Eine ‘Wachstumsphase’ passt so gar nicht in die Idee eines steten, jährlichen ‘Erntens‘. Dabei wurde stets an unterschiedlich langen Zyklen gedacht, zum Beispiel den 7Jahren-Zyklen. (Wonach alle 7 Jahre ein System sich wandelt und in eine neue Ordnung überführt wird.) Manchmal dauert ein Zyklus auch nur vier Wochen…
Vielleicht ist aber die Tatsache, dass wir dem jährlichen Zyklus so vieles unterordnen, was eigentlich einen längeren Anlauf bräuchte, auch Ausdruck eines übertriebenen Aktionismus. Frei nach dem Motto „lieber täglich am Baum rütteln, statt zu verpassen, dass der Apfel von selbst herunterfällt“, neigt der Mensch dazu, dem Ablauf der Dinge zu wenig Zeit zu geben. Ich für meinen Teil brauche sicherlich 3 Jahre, bis ich meine Steuererklärung abgeben kann!
Dieser Hang zum ‚Action-Bias‘, der so schön von Rolf Dobelli auf den Punkt gebracht wurde, treibt tolle Stilblüten: In der Prozesswelt setzt sich z. B. jetzt zunehmend das agile Entwickeln durch. Zu träge seien die dominanten, auch Wasserfall genannten, Prozesse der Industrie: sie dauern zu lange; Produkte kann man auch schneller entwickeln, zumal auch der Wettbewerb dies impliziert. ‚First moving advantage’ heißt es da: Also wird aus einem Wasserfall ein Strudel von angeregten Aktivitäten, der, in sogenannten ‚Sprints’, fortschreitend neue Entwicklung ausspuckt. Die Methode, somit langsame Zyklen auszutricksen, findet vor allem in der Softwareentwicklung großen Anklang: Hier wird mit ‚Scrum‘ um das Problem herum entwickelt, mit dem Ziel, immer schneller Lösungen auf den Markt zu werfen. Das Gute an Software ist, dass, wenn es mal nicht ganz hinhaut, ein ‚Update‘ nachgeschoben werden kann! Pech nur, dass Sie und ich so zu Versuchskaninchen der Softwarebranche werden und uns von Update zu Update hangeln und gleich von Helpdesk zu Helpdesk – wirklich genießen kann man diese ‚Produkte‘ nicht, sie sind oft einfach noch nicht reif für den Gebrauch…
„Gut Ding braucht Weile“, heißt es da so schön. Dass die Dauer der Weile in Relation zur Güte des Dinges steht, vergessen leider viele. Es wäre schön, wenn man sich für Manches etwas mehr Zeit nehmen würde, damit alles gut wird. Der Sommer war da eindeutig zu kurz: Bekommen wir jetzt ein Update?
Denke dass der Spruch „wer zuerst mahlt“ symbolisch für eine alte Wertschöpfung steht, wo es vorrangig um den Erwerb von Güter geht. In der Dienstleistungsgesellschaft reicht das nicht mehr aus, da sind wir beim Kuchenbacken, oder besser noch, beim Kaffeehaus angelangt: da lacht der am besten, der es als letzter tut!
…. und erneut: wie wahr, wie wahr! Andererseits: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Die richtige Balance können wir als Verbraucher am besten definieren a) haben wollen und sofort kaufen b) abwarten, beobachten, Meinung bilden c) später oder gar nicht kaufen.