teuer

Jetzt, nach vielen Jahren der Zusammenarbeit, weiß ich, dass er großen Respekt vor der Sache hat – vor Design und den Designern. Vielmehr glaube ich sogar, dass er uns Designer insgeheim bewundert. Seine anfänglich abweisende Haltung gegenüber Vertretern unserer Gattung resultierte, glaube ich, aus der Gewissheit, dass er nie das machen kann, was Designer tun, aber die Designer vielleicht doch dasjenige, was er tut – wenn sie nur wollten… Aber zum Glück wollen die ja gar nicht!

Meine erste Begegnung mit ihm fand – zum Glück für mich – statt, als ich schon viele Meilen auf meinem ‚Vielfliegerkonto‘ in Sachen Design gesammelt hatte – als ich quasi schon die Goldkarte innehatte. Dies verhalf mir zu einer gewissen Gelassenheit und Erfahrung, die unter anderem bedeutete, dass ich schon im Genuss einiger, anfänglich befremdlich wirkender, Fortbildungen gekommen war. So durfte ich zum Beispiel von einem Schotten in die Welt der Finanzen eingeführt werden – wahrlich ein Erlebnis. Damals wusste ich zwar noch nicht so recht, was ich mit dieser neu gewonnenen Kenntnis anfangen sollte, wozu ich zum Beispiel wissen müsse, was ein ‚Balance Sheet‘ ist, oder die ‚Gross-margin‘; Jedoch am Tage dieser ersten Begegnung zahlte sich das ‚Vielfliegen‘ aus und ich konnte kontern!

Salopp legte er einen Kopfhörer auf den Tisch, nachdem wir die ersten Höflichkeiten ausgetauscht hatten – ich war sein neuer Designchef. Und gleich darauf fuhr er fort, dass er dieses Produkt für etwa einen Euro einkaufen würde (‚off-the-shelf‘, oder auch ‚vom Regal‘ eines Herstellers aus Fernost…) um es dann, nach dem Anbringen des Markenlogos, mit entsprechendem Gewinn wieder zu verkaufen. „Und wollte er wissen, was ist dein Beitrag, dass wir noch mehr Geld verdienen? Für jeden Euro, den ich an euch Designer ausgebe, muss ich mehr Produkte verkaufen- außerdem, ihr seid mir viel zu teuer!

Dann folgte noch eine Aufklärung über die Tatsache, dass die Finanzen gar nicht rosig waren und dass er mit seinem Business die Löcher anderer stopfen musste – was auch tatsächlich so war. Klar war auch, dass er Design wohl als Kostenposten sah, und dass alle Kosten runter mussten, um das Resultat zu bessern.
In der Erwartung, dass ich mich, als ganz der ‚Designer‘, über die Qualität dieses Kopfhörers aufregen würde und seiner Aufforderung, die Design-Kosten runterzubringen, ausweichen würde, lehnte er sich zurück und sah mich auffordernd an. Was er nicht wissen konnte: Ich war von einem Schotten trainiert worden!

Statt mich über das grässliche Produkt zu brüskieren, informierte ich mich, so ruhig wie ich nur konnte, nach der ‚Gross-margin‘ dieses Geschwürs. „Na ja, sagte er sichtlich verblüfft, so etwa 25%.“ Da ich mich vorher, angeregt von der Sensibilisierung des Schotten, ausführlich über die finanziellen Eckdaten der Produktkategorien, die er vertrieb, informiert hatte, konnte ich darauf hinweisen, dass die Margen bei Konkurrenten jenseits der 30% lagen, sogar weit darüber. Und das ganze zu weit höheren Verkaufspreisen – das sei mal ‚Cash‘!

Da erhaschte ich ein Blinzeln in seinen Augen, als er sich nach vorn lehnte und fragte, wie ich mir das vorstellen würde, auch so eine Marge zu erzielen. Da genügte ein angeekelter Blick auf die Kopfhörer und die Erwähnung, dass sich kaum mehr aus diesem Geschwulst herausholen lassen würde: Da könnte man die Kosten noch so senken – Konsumenten könne man ja nicht alles andrehen. „Und, was würdest Du tun?“, fragte er mich daraufhin endlich.

„Na ja, erwiderte ich daraufhin ganz ‚business-like‘, solche Produkte würde ich nicht verkaufen. Wer will denn so etwas wirklich haben? Wie wäre es mit ein wenig mehr Design und weniger ‚off the shelf‘…?

Es entwickelte sich ein Gespräch, wo es darum ging, wie wir die ‚Kosten‘ für Designarbeit und jene, die daraus entstehen würden – wie neue Werkzeuge, verbesserte Verpackung und höherwertige Materialien – durch höhere Margen decken können, um somit sowohl für den Kunden als auch für uns selber mehr Wert zu generieren. Dass hier eine ehrliche Balance herrschen musste, war ihm und mir zum Glück bewusst.

Es war der Beginn einer langen Zusammenarbeit, in der er seinen Gewinn und Umsatz vervielfachte (und somit die Löcher stopfen konnte) und ich mein Budget auch. Der Schotte wäre stolz auf uns gewesen.
Was mir aber am meisten gefiel, war die Tatsache, dass die Manager im Zuge dessen Design weniger als Kostenposten sahen, sondern als Mittel, Mehrwert zu erzeugen. Und dass es zweifelsfrei war, dass sie die Designer insgeheim bewunderten. Wären sie doch bloß nicht so teuer…!

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