design am fließband
Das Projektteam tagte und die Vertreter der verschiedenen Abteilungen trafen sich im ‚war-room‘. Dort wurde an den Wänden der aktuelle Status präsentiert. Meine Entwürfe waren, wohl vom Projektleiter, mit leuchtenden Post-it-Stickern samt Ausrufezeichen gekennzeichnet worden und ich fragte mich, ob das etwas Gutes bedeutete…
Nach dem Wechsel in die Designabteilung für Unterhaltungselektronik hatte sich für mich die Arbeitsweise des Designs grundlegend geändert: Bis dahin konnte ich meine Gestaltungsarbeit aus einem vorgegebenen Lastenheft ableiteten und ich war frei in der Interpretation und Umsetzung, solange sich der Entwurf harmonisch in die bestehende Produktpalette einfügte und nicht zu Mehrkosten führte.
Jetzt war eine andere Vorgehensweise gefragt: Designs am Fleißband war hier die Devise. Nicht ein Design, das logisch auf den Vorgänger aufbaut und das Produkt als auch die Marke in der Konkurrenz hervorhebt, sollte entwickelt werden, sondern gleich eine Flut von Vorschlägen musste her, damit man letztendlich eines auswählen konnte. Mochte keines gefallen, dann wurde gleich noch mal eine Runde mit weiteren Entwürfen gemacht, denn dafür sind die Designer ja da, oder?
Nein, ich war das nicht gewohnt. Für mich war Design die Arbeit eines Spezialisten, genau wie zum Beispiel die der Elektrotechniker auch: Ob die auch 10 verschiedene Konfigurationen für Leiterplatten machen, damit man dann eine auswählen kann? Werden auch 10 verschiedene Businesspläne zu einem Produkt zur Auswahl vorgelegt? Mitnichten, viel zu teuer! Außerdem wissen die Spezialisten ja eh, was sie tun…
Warum musste jetzt bei den Designlösungen eine Auswahl her? Weswegen wird hier gewählt und woanders nicht?
Die Bedeutung der leuchtenden Post-its ließ nicht lange auf sich warten, als das Projektteam zum Punkt ‚Design‘ der Tagesordnung kam: Der leitende Produktmanager fuhr sofort aus dem Häuschen und wetterte, was denn im Design-Team los sei. „Wie sollen wir aus so einer kleinen Menge an Entwürfen ernsthaft eine Auswahl treffen können?! „Ihr gefährdet so den Erfolg des Projektes, denn das hier sind ja alles nur Varianten zu einem Thema!“ Und dann folgten noch einige Bemerkungen zur Qualität der Ausdrücke, zur Farbgestaltung, zur Typografie und der Anordnung der Tasten…
Nachdrücklich wurde betont, dass das Design eins der wichtigsten Entscheidungskriterien für den Kauf und damit für den Erfolg sei! Daher wollte ich auch nicht verstehen, dass man in einer Wahl aus Varianten die letztendliche Gestaltung ermittelte wollte – für mich konnte es nur einen Vorschlag geben, nämlich den, der von den Spezialisten, den Designern, entwickelt wurde. Wozu sonst, sollte man überhaupt Designer einstellen? Dass die Designer selber ihre Entwürfe testen und anhand von Kriterien eine Auswahl treffen, gehört zu ihrer professionellen Ausbildung. Ich konnte diese Kriterien zwar vorlegen, jedoch fand ich einfach kein Gehör – es gehörte sich, das Design von Konsumenten in Befragungen oder von Händlern in Meetings wählen zu lassen. Auch will schon mal ein Kaffeeklatsch bei der Ehefrau des Produktmanagers als Grundlage für Designentscheidungen herhalten: „Bei den Damen kommt die blaue Variante am besten an.“ „Die nehmen wir!“ Hier ist die Designarbeit wie eine Legebatterie konfiguriert, dessen ‚Produkt‘ von Laien aussortiert und weiter verarbeitet wird: Hier wackelt der Schwanz mit dem Hund!
Zähneknirschend fügte ich mich dem Duktus, der da vorherrschte, aber nicht eher, bis ich meinen Standpunkt darlegte und meine Auswahl fortan auch mit Sticker kennzeichnete: Design Quality stand drauf- alle andere Entwürfe erhielten dieses Siegel einfach nicht.
Zum Glück setzten sich die so ‚ausgezeichneten‘ Entwürfe in meinem Fall durch und waren im Markt sehr erfolgreich, was die Arbeit für die kommende Saison vereinfachte und die Expertise der Designer schürte. Das Gütesiegel zeigte Wirkung.
Aber gewählt wurde immer noch, frei nach dem Motto: Lieber mit einem Schrotgewehr etwas streifen, als mit einem gezielten Schuss daneben langen.
Tja, möchte man aber voll ins Schwarze treffen, muss man gut zielen können und auf eine ruhige Hand vertrauen- die ruhige Hand des Designers!