romantisch

Haben Sie ordentlich Geld auf der Bank? Dann nichts wie runter damit und ab in Aktien, denn dort gibt’s die fetten Rendite: Noch nie waren die Zeiten günstiger, denn jetzt, wo das Geld nichts mehr wert ist und die Gier der Konzernlenker ungebrochen hoch, kann der schlaue Anleger ordentlich seinen Schnitt machen!

Vielleicht kann man es ja mal mit Siemens-Aktien versuchen, wo die doch mal wieder den Laden straffen und unnötigen Ballast abwerfen. Mit guten Siebentausend Angestellten weniger kann man den mickrigen Gewinn von fünf Milliarden locker verdoppeln! Die Messlatte liegt ja jetzt bei 17 – im Quartal! Da geht also noch einiges.

Unverdrossen sagen uns die Kapitäne der Wirtschaftsriesen, dass die kommenden Zeiten hart und voller Entbehrungen sein werden und dass man sich wappnen muss, gegen den Gegner aus Fernost, oder gegen all jene, die geringere Kosten mit sich schleppen. Denn das Schlechte am Wirtschaften sind immer die Kosten: Wenn die nicht wären, dann gäbe es nur Gewinn. Doch in den Kosten, da stecken wir alle mit drin.
Dann wird schnell das Bild eines Schiffes skizziert, in dem man (das Unternehmen) hockt und bei Wasser und Brot versucht, die Ware über die raue See in sichere Gefilde zu bringen. Dass man da mit dem Proviant hadert und Überflüssiges über Bord wirft, passt gut ins Bild. Auch dass die Kapitäne in ihrer luxuriösen Kajüte hocken und sich umgeben mit dem Allerfeinsten und mit der Gewissheit, dass sie, wenn nötig, das bereithängende Rettungsboot jederzeit betreten können. Da geht so mancher Kahn mit Mann und Maus, aber ohne Kapitän unter. Die Ausnahmen halten dabei nur den Mythos aufrecht, dass eben die Kapitäne als Letzte von Bord gehen… Bei Großkonzernen à la Siemens sind die Kapitäne jedoch nicht die Besitzer ihres eigenen Kahns, sie sind bloß Angestellte einer Handelsmarine und machen, wenn’s brenzlig wird, schnell mal einen „Schettino“!

Mich erstaunt, wie beharrlich diese Denke doch ist und dass man nach wie vor den Erfolg eines Unternehmens an dem misst, was es abwirft, und nicht an dem, was es beiträgt. Und was mich vor allem interessiert, ist, wo das viele Geld landet, jetzt, wo es doch nichts mehr wert ist! Kaufen die Aktiengesellschaften damit etwa Aktien? Geld lässt sich offensichtlich am besten mit Geld verdienen.

Meine Großmutter sagte immer „dann kauf da halt nicht mehr ein!“, womit sie den Ursprung des Wirtschaftssystems ansprach, in dem jedes Unternehmen immer einen Kunden braucht: Ohne Kunden kein Geschäft.
Doch was passiert, wenn die Kunden nicht mehr die Ware kaufen, sondern die Aktien? Wenn es keine Kunden aus Fleisch und Blut mehr gibt, wenn der Kunde digitalisiert ist und auf Knopfdruck von einem Algorithmus gesteuert, binnen Millisekunden zig-Millionen mal Aktien kauft und verkauft?
Meine Großmutter und ich glaubten noch, dass Geld eine Art Puffer ist, mit der man den Wert eines Gegenstandes oder einer Arbeit verspätet gegen eine andere tauschen kann – quasi als Vertrauensvorschuss. Wie romantisch.

Wenn es wirklich eine Gestaltungsaufgabe gibt, an der man sich die Zähne ausbeißen kann, dann ist es das Re-design des Wirtschaftssystems. Wie bei einem Stuhl, war es ja mal intakt und hatte eine gute Form gefunden. Jedoch haben die neuen, ausgefeilten Mittel der Gestaltung, ähnlich wie in der Produktwelt, dafür gesorgt, dass aus der an sich gesunden Form eine entstand, die am Zweck vorbei zu einer bösen Form verkommen ist.
Leider fürchte ich, dass auch das Re-Design eine Arbeit für Romantiker und Überzeugte ist, denn welcher Kapitän verlässt schon freiwillig seine vergoldete Kajüte, in der es sich doch so schön verweilen lässt?

Genau, vielleicht sollte man es mal mit einer Meuterei versuchen – oder heißt das nur, dass wir dann alle in der vergoldeten Kajüte hocken? Womöglich braucht nicht nur das Wirtschaftssystem ein Re-Design, sondern gleich die ganze Gesellschaft – oder ist das auch zu romantisch gedacht?

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  1. christoph sagt:

    Die Welt trägt eine Schuldenlast von etwa 200 Bio. Dollar (McKinsey), die Derivatblase von noch einmal ± 600 Bio. nicht eingerechnet. Diesen Geldschulden steht eine Geldmenge von rund 65 Bio. Dollar gegenüber (M2, «broad money») gegenüber. Wenn wir diese Schulden in der Realwirtschaft untereinander hätten, müsste diese Geldmenge dreieinhalb mal zirkulieren und die Schulden wären bezahlt.

    Den grössten Teil der Forderungen liegt aber bei den Banken und Schattenbanken. Alles Geld, das dorthin bezahlt wird, verschwindet aus der Wirtschaft und kehrt erst wieder in den Kreislauf zurück, wenn jemand aus der Realwirtschaft das Versprechen eingeht, mehr zurückzubezahlen, als er bekommen hat. Weil wir die Schulden nicht mit Rindern und Häusern bezahlen können, sondern nur mit Geld, wird ein grosser Preissturz eintreten, den sich die zunutze machen können, die das knapper werdende Geld besitzen.

    Wer ein bisschen rechnen kann, hat schon lange gemerkt, dass dieses System nicht aufgehen kann. Unser Geld ist ein gigantischer kollektiver Irrtum und man kann nur hoffen, dass wir klug werden, bevor der kollektive Totalschaden eintritt.

    So wie es aussieht, vollzieht sich der aktuelle Crash scheibchenweise. Das gibt uns mindestens die Chance, aufzuwachen, bevor uns die Decke auf den Kopf fällt.

    http://www.christoph-pfluger.ch

  2. david sagt:

    toller artikel herr Baars! ihre bildsprache macht dieses thema auf nüchterne art und weise begreiflich.

    erst letzte woche lief bei arte eine tolle themen reportage zur staatsverschuldung die ich sehr empfehlen kann.

    die von ihnen beschriebene meuterei beschäftigt mich schon seit einigen jahren.
    so verstehe ich es nicht, wie unsere bundesregierung es als großen erfolg ansieht das jeder mensch per gesetz ein anspruch auf ein bankkonto hat – tatsächlich ist es doch so das wir ohne banken kein normales leben führen können. steuern, gehälter, verträge, versicherungen – mietwagen und selbst urlaubsreisen – all dass ist nicht möglich ohne eine bank.
    darauf möchte ich gerne ein recht haben! ein kollektiver bankrun wäre evtl ein mittel sich gehör zu verschaffen.

    als gestaltungsaufgabe wäre das prinzip des brutto-sozial-glücks ein denkbarer ansatz.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Bruttonationalgl%C3%BCck

    innovative grüße
    david

    • ha sagt:

      Hallo David,
      1. Zur staatsverschuldung:
      Wie man trotz milliarden an schulden, dennoch eines der reichsten länder sein kann (deutschland bzw. österreich), wird mir immer ein rätsel bleiben. Denn wenn man nach der alten schulmädchenrechnung von den einnahmen die ausgaben abzieht und ein minus bleibt, hat man ergo dessen schulden und ist eigentlich pleite-oder? Vor allem wenn die aussicht auf einen ausgeglichenen staatshaushalt mehr als utopisch ist! Aber wie man am beispiel griechenland sieht, ist alles möglich…
      2. Zur banken meuterei:
      niemand hätte es bis vor einigen jahren für möglich gehalten, dass banken pleite gehen können. so komisch das klingt, aber denen gehts jetzt genau so wie uns, wenn wir falsch wirtschaften, oder uns übernehmen. Das macht banken wieder sympathisch. Ich nutze seit jahren online banking mit null kosten und stelle denen dafür meine paar tausend euro an monatlichem gehalt zur verfügung – das ist fair und fast kein risiko. Den rest investiere ich in meine kinder, grund und boden und ein bisserl experimentieren mit i-shares mit beträgen, die investmentbanker nicht einmal jucken.

      3. Ein bankkonto per gesetz:
      Also banken bzw. bankonto als drehscheibe für die kleinen deals des alltags zu nutzen, finde ich jetzt einfach nur praktisch. Das sollte wirklich jeder haben. Auch jene die keine arbeit haben, sozialhilfe empfänger sind und daher gar kein konto bekommen! Stelle dir vor du musst wegen jeder auszahlung , einzahlung usw. zur jeweiligen stelle hingehen und bargeld hinbringen, oder abholen – das ist doch echt mühsam. Da finde ich tauschhandel ja noch sinnvoller! Verstehe ich jetzt nicht warum du das einerseits der bundesregierung ankreidest, dann aber für dich als recht beanspruchst?

      4. brutto-sozial-glück:
      Hat das nicht der kommunismus bereits versucht? Alle haben ein recht auf ein (einheits) auto, arbeit, wohnung etc. wie das wirklich war und ausgegangen ist, wissen wir mitlerweile…
      Über den kamm scheren und „verordnetes“ glück kann nicht funktionieren, weil es für jeden etwas anderes ist.
      in diesem sinne
      lg harald auer
      p.s. nur so nebenbei: Dein text ist teilweise schwer verständlich, denn „das“ wird meines wissens verwendet, wenn man es durch „dieses“ bzw. „welches“ ersetzen kann, sonst nach beistrich „dass“ oder „daß“ – je nach rechtschreibreform.