kontrolle
„Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!“
Noch so eine Weisheit, die sich in den Führungsetagen der Unternehmen festgebissen hat. Wer kennt das nicht: Bevor man loslegt, erst mal alles überprüfen, denn man weiß ja nie, ob auch alles hält, was es verspricht. Was für eine Reise mit einem alten, klapprigen Auto sicherlich angebracht ist, verkommt in vielen Unternehmen zu einem Kontrollwahn – jede noch so kleine Schraube wird unter die Lupe genommen und jeder Prozess soweit perfektioniert, bis das Risiko unter Kontrolle ist. Denn wehe, die versprochene Rendite oder die Ergebnisse werden nicht erreicht!
Die Revisionsabteilung und das Controlling wenden daher jeden Stein im Unternehmen, damit potenzielle Gefahren frühzeitig entdeckt werden und alle Prozesse diese tunlichst umschiffen. So weit so gut: Ein wenig Vorsicht kann nicht schaden. Jedoch entwickelt dies Kontrollieren ein Eigenleben, das sich mit jedem weiteren Kontrollpunkt weiter von seinem Sinn entfernt, ganz nach dem Motto: „Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los.“ Ist nämlich erst mal der Kontrollwahn ausgebrochen, will auch das Kontrollieren kontrolliert werden und die Schraube der Ineffizienz dreht sich immer weiter, bis ein Unternehmen nur noch mit sich selbst beschäftigt ist. Dann geht es einem bald wie dem Zauberlehrling; Man sieht sich einem Berg von Scherben gegenüber und verliert den Überblick.
Eine wohl menschliche Reaktion hierauf ist die Flucht nach vorn, oder auch die (innerliche) Rebellion. Schönes Beispiel hierfür ist mein Heimatland, die Niederlande, wo man versuchte, Verkehrsflüsse zu kontrollieren, indem man alle 5 Meter eine Ampel hinstellt… Die kollektive Ignoranz dieses Kontrollwahns hat zur Folge, dass in den Städten der Verkehr kollabiert und viel heikler noch, dass die ursprünglich gute Idee der Ampel-Regulierung verpufft – es schert sich keiner wirklich darum. Dann kann man besser darauf vertrauen, dass sich alle nicht umfahren – was dann auch die einzig logische Alternative ist.
‚Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser‘ wäre da eine echte Alternative: Um wirklich effektive und menschliche Gesellschaften und Unternehmen zu bauen, muss man auf Vertrauen setzen. Kontrolliert wird dabei nicht die Masse aller Beteiligten, sondern nur jene, die andere in ihrer Entfaltung bremsen. Man vertraut darauf, dass alle nur das Beste wollen, und fokussiert seine Kontrolle nur auf jene, die wirklich ‚bremsen‘. Klingt, als ob es eh schon so gemacht wird, aber in der Wirklichkeit ist es trotzdem ganz anders – denn es ist viel einfacher, eine Blitzanlage aufzustellen, als einen irren Raser zu stellen… Letzteres ist wesentlich schwieriger und verlangt neue, bessere und andere Kontrollmechanismen. Schafft man es, die wirklichen ‚Bremser‘ zu stellen, erreicht man viel mehr, als alle prophylaktisch zu potentiellen Tätern zu machen. Denn leider gibt es im wahren Leben keinen Meister, der die außer Kontrolle geratenen Kontrollmechanismen in die Schranken weist:
»In die Ecke, Besen! Besen!
Seid’s gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
Erst hervor der alte Meister.«
Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich auf ihre Mitarbeiter verlassen müssen, wenn sie effektivere Prozesse und Abläufe kreieren wollen – einen Meister, der alles zum Guten regelt, haben nur wenige Unternehmen… Mitarbeiter sind effektiver und können sich freier im Unternehmen entfalten und gleichsam ihrer inneren Motivation folgen, wenn sie nicht offensiv kontrolliert werden. Das Vertrauen, das sie erfahren, wird sich auch in der Qualität ihrer Arbeit widerfinden: Denn sie werden, gestärkt durch das Vertrauen, das man in sie setzt, kritischer mit allem umgehen und ihre Arbeit selbst regulieren. Auch werden sie so offensiver mit ihren Kollegen umgehen und Kollegialität einfordern. Nicht ein aufgesetztes Regelwerk motiviert Mitarbeiter, sondern ein kollektives, unabdingbares Vertrauen, das jeder erhält. Nicht Boni und Zielvorgaben erhöhen die Effektivität, sondern gelebte Delegation und die dazugehörige Vertrauensbasis lassen Mitarbeiter über sich hinaus wachsen und stärken das Unternehmen.
Es braucht dafür eine Kontrolle, die sich auf das Wesentliche richtet: auf diejenigen und das, was Mitarbeiter in ihrer Entfaltung einschränkt und in ihrer Motivation bremst. Dabei kommt es auch hier auf den richtigen Fokus an, der sich auf das Gute im Menschen richtet und nicht auf seine Schwächen.