bestimmen!

Das Wort „Design“ lässt verzweifeln, zumindest jene, die sich von Berufs wegen und vor allem im deutschsprachigen Raum damit beschäftigen. 
Gefragt, was der Begriff nun bedeutet, folgt meist die Übersetzung ‚Gestalten‘. Design ist Gestaltung, also ist die Arbeit des Designers das Gestalten. Das jedoch greift zu kurz, Design ist weit mehr.

Etymologisch gesehen gibt es eine Kontroverse, woher denn das Wort „Design“ nun wirklich stamme. Von ‚designo‘, dem (be)zeichnen, oder etwa von ‚designo‘, der Bestimmung? Nicht nur ich plädiere für Letzteres! Design meint Bestimmung. Design ist der bewusste Akt, etwas in eine bestimmte Form zu überführen. Nicht eine beliebige Form, sondern eine, die, nach einer wohl-überlegten Recherche und auf der Basis einer klaren Problemdefinition, nur so zu einer eindeutigen Bestimmung führt. Dieser Eingriff ist eine bewusste Entscheidung, kein Impuls. Design ist also ein Prozess (etwas bestimmen) und sein Ergebnis ist die Stimmigkeit.

Dementsprechend sind alle ‚designten‘ Fakten, die uns umgeben, jene, die eine Bestimmung erfahren haben. Wir bestimmen entsprechend nicht nur Gegenstände und Flächen (Artefakte), sondern auch Inhalte und Ideen (Mentefakte) sowie die Beziehung zwischen Gegenständen, Menschen und Systemen (Soziofakte). Das Gestalten ist in diesem Designprozess die Aktivität, die Bestimmung in eine entsprechende Ausprägung zu überführen, die dafür sorgt, dass die Stimmigkeit auch wahrgenommen werden kann. Entsprechend liegt die Arbeit vieler ‚Designer‘, so wie man sie wahrnimmt, in der Regel beim Ausgestalten einer Bestimmung. Dies impliziert zudem, dass auch die Bestimmung von Inhalten, Zielen und Beziehungen ein Akt des Designs ist, wenn man Stimmigkeit erreichen möchte – und genau hier fehlt vielen „Bestimmern“ die entsprechende Kompetenz.

Denn das Bestimmen von Zielen, Inhalten und Beziehungen ist die Kernaufgabe des Managements. Wenn man aber managt, ohne die dafür nötige Designkompetenz, kommen in der Regel jene Ziele heraus, denen es an Stimmigkeit mangelt. Dann muss jedes Quartal eine Renditensteigerung her, obwohl das Unternehmen den Kunden ‚günstige Preise‘ verspricht, dann erhalten geschasste Geschäftsführer goldene Fallschirme für die Rente und die bleiben Kunden auf ‚dem Auto‘ sitzen. Dies deutet nicht nur auf einen Mangel an Anstand, es mangelt vor allem an guter Bestimmung! Womit gleich klar wird, dass gutes Design nicht der Akt eines Künstlers ist, der ganz nach seinen eigenen Vorstellungen ‚bestimmt‘, sondern dass Design immer das Beste für die Kunden und die Involvierten im Sinn „haben sollte“.

Die Ausführungen des Herbert Simon und sogar die Thesen des Dieter Rams machen dies seit Jahrzehnten deutlich. Gutes Design ist ehrlich, sagte Rams, womit er sicherlich auch ‚stimmig‘ gemeint haben könnte. Und Simon definierte Design als einen bewussten Eingriff in die Geschicke, um diese zum Besseren zu verändern. Beide meinten sicherlich nicht, dass man so das Füllhorn eines gewieften Managers zum Überlaufen bringt. (Dies sollte nur geschehen, wenn der Kunde das bestimmt.)

Doch wie kann man Managern und Managerinnen nun beibringen, wie gute Bestimmung funktioniert? Sicher nicht, indem man sie mit Lego oder Post-its basteln lässt. Nicht das Gestalten muss man ihnen nahebringen, sondern das gute Bestimmen. Kompetenzmangel ist nichts, für das man sich schämen müsste. Wie müssten sich sonst die vielen Studenten fühlen? Schämen muss man sich nur, wenn man für etwas fürstlich entlohnt wird, für das man nicht die Kompetenz mitbringt. Da hilft auch kein Design-Thinking, wenn es am Wesentlichen mangelt: Die Verinnerlichung, dass alles, was man tut, nicht für sich, sondern für die Kunden bestimmt ist.

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  1. ha sagt:

    Sehr präzise formuliert Jan-Erik! Dem ist nichts hinzuzufügen – und ich bin ein sehr Kritischer 😉 lg harald

  2. Annette sagt:

    Habe Deinen Kommentar auf LinkedIn gefunden und überlege gerade, ob systems thinking, das dem Design zugrunde liegt, überhaupt eine einzelne Bestimmung erlaubt. Oder sollten es Designer halten wie systemische Organisationsberater, die keine Lösung vorschlagen, sondern das Feld eröffnen, um dem Kunden wieder eine Perspektive für die eigene Entscheidung zu ermöglichen. Ist die Iteration evtl. Aufgabe des Kunden mit eigenen Mitteln?

    • Jan-Erik sagt:

      Ist es auch meistens: Designer liefern oft Konzepte, die erst durch die Weiterverarbeitung in der Organisation letztendlich zu einem „Design“ werden. Das, was Fakt wird, ist nicht immer unmittelbar die Arbeit der Designer, aber schon das Ergebnis des Design. Wenn ich Dich richtig verstehe, sind Vorschläge der Weg zu letztendlichen Bestimmung: Dem kann ich nur zustimmen! Jan

    • harald sagt:

      Hallo Annette, Bestimmung würde ich eher durch Übereinstimmung ersetzen. Übereinstimmung mit dem Briefing der Kunden, der Vorgabe, dem Zweck, den das Design erfüllen soll. DesignerInnen sind interdisziplinär ausgebildet und daher normalerweise befähigt, diese viele Irrwege zu umgehen, unterschiedliche Informationen zu filtern, zu strukturieren und dann zu einem , oder mehreren validen Ergebnissen zu führen. Uns wurde während des Industrial Design Studiums immer gesagt, max. 3 vom Anfang bis zum Ende tragfähige und umsetzbare Lösungen präsentieren, mehr überfordert Kunden meist. Und wenn gar nichts entspricht besser noch einen Loop drehen, als die verworfenen Entwürfe gesammelt in einer Mappe zeigen, wo man dann schnell in den Erklärungsnotstand kommt, weil irgend etwas in der Prozesskette nicht STIMMT – sonst wären sie ja bis ins Finale gekommen! ha